Ad: CIL 5, 698 (Materija): via derecta — translata (in fines alicuius) — restituta
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Die Inschrift bezeichnete wahrscheinlich den Anfang bzw. das Ende einer Straße (hanc viam). Die Inschriftentafel wurde aufgestellt, als die Straße aufgrund eines Befehls des Kaisers Claudius durch den Offizier (primus pilus) L. Rufellius Severus »restituta« wurde. Die Inschrift enthält noch andere Angaben über das Schicksal der Straße aus der Zeit bevor sie restituta wurde: erbaut (derexit) hat sie der Offizier Atius, und das geschah »post sententiam dictam ab A. Plautio«, der Legat des Kaisers Claudius war; danach wurde sie »translata a Rundictibus in fines C. Laecani Bassi«. Die Differenzen in den bisherigen3 Interpretationen sind auf den ersten Blick geringfügig, doch auf ihnen beruht die Diskussion über den Verlauf der östlichen Grenzen Italiens, deshalb ist es nicht überflüssig, diese Frage noch einmal zu überprüfen. Zweideutigkeiten und Abweichungen tauchen bei der Deutung der Begriffe auf, die wir im Titel angegeben haben und die im vorangegangenen Absatz im Original geblieben sind. Das Wort restituere wird durch die bisherigen Forscher konsequent m it wiederherstellen übersetzt, also in der Bedeutung, wie sie oft im Zusammenhang mit dem Bauen und besonders m it dem Straßenbau gebraucht wird, z. B. an Meilensteinen in der Formel viam vetustate conruptam restituere u. ä. Die Inschrift mag also anläßlich einer Straßenwiederherstellung angebracht worden sein. Davon ausgehend (und weil die Bedeutung viam der iger e nicht problematisch ist), beruht die historische Interpretation des Textes also auf der Tatsache, daß die Straße »post sententiam dictam«4 des Legaten des Kaisers5 derecta, und restituta iussu Augusti wurde, während die Lösung des Problems auf der Tatsache beruht, daß die Straße inzwischen translata a Rundictibus in fines C. Laecani Bassi worden war, also in der Deutung des Begriffes translata. Translata = fortgesetzt6, 7, 8 ist semantisch unhaltbar. Es handelt sich entweder um eine physische Übertragung oder um die Übertragung einer Verwendung, einer Kompetenz, eines Eigentums auf andere. Ritterling9 und Kahrstedt10 setzen sich für die zweite Erklärung ein und sehen in der Übertragung von Rundikten an C. Laecanius Bassus bzw. von der Kompetenzsphäre des Provinzlegaten auf das imperiale Bureau den Beweis für gleichzeitige Grenzverschiebung, also in claudischer Zeit. Degrassi12 lehnt diese Argumentation ab (es handelt sich seiner Meinung nach um eine normale Militärtätigkeit ausserhalb der Provinz) und befürwortet die These von physischen ’Übertragung’ der Straße (= Ausbau einer neuen), womit er einerseits in Widerspruch mit dem Text gerät (haec via), anderseits mit dessen Sinn (zwei Paralellstraßen und Reparatur unter Claudius) und m it der topographischen Situation (Leacanius’ Straße durch das Zentrum der Rundikten). Wir bleiben also bei der einen Straße, die durch unsere Inschrift bezeichnet wird, und werden transferre im Sinne der Karstedtschen Deutung als einen juristischen Terminus zur Übertragung (der Kompetenz, der Benutzung, des Besitzes) verstehen. Die fünfte und sechste Zeile des Textes werden wir also verstehen und übersetzen wie folgt: . . . (später) ging sie von den Rundikten in den Besitz des Gajus Laecanius Bassus über. Ein anderes Problem ist aber, daß die kaiserliche Kompetenz für die Viederherstellung der Straße (und besonders auf italischem Territorium) erst nachgewiesen und an dem Beispiel gut begründet werden müßte. Claudius führt in der Regel in Bauinschriften Dir Straßen (viae publicae, freilich) die zensorische Gewalt an, aufgrund derer er die Arbeiten formell ausführen durfte.15 Sofern die Deutung stichhaltig ist, daß es sich um eine einzige Straße handelt und daß transferre in fines Besitzübertragung bedeutet, kann die Straße nicht publica sein, sondern muß eine vdzinale oder private Straße sein (worin sich sonst alle Autoren einig sind). Wenn es logisch ist, daß sie mit Hilfe der militärischen Bautrupps gebaut wurde, ist die Wiederherstellung einer solchen Straße kaum eine Angelegenheit der Kaiserlichen Sorge — außer vielleicht unter irgendwelchen besonderen Umständen, die seine Intervention erfordern würde, was dann aber aus der Inschrift ersichtlich sein müßte. Betrachten wir also die Struktur und den gesamten inhaltlichen Aufbau der Inschrift. Die Grundtatsache, die die Inschrift mitteilt, lautet, daß — hanc via m ... restituit iussu Augusti L. Rufelius Severus primipilaris. Es ist logisch zu erwarten, daß der übrige Text diese Tatsache erläutert, daß er sich auf die Situation bezieht, die dazu geführt hat, daß die restitutio ausgeführt worden ist; falls restitutio sich auf die Wiederherstellung der Straße bezieht, also auf die Umstände der Zerstörung oder auf irgendwelche spezifischen Ursachen für die Wiederherstellung. In unserem Fall finden wir jedoch die Feststellung, daß die Straße derecta post sententiam dictam (ab. .. p e r . . .) und daß sie dann von den Rundikten in den Besitz von Gajus Laecanius Bassus übergegangen ist. Wenn diese beiden juristischen Akte die Ursache bzw. den Umstand bilden, so muß die Folge eine juristische Sanktion sein und restituere muß demnach ein juristischer Terminus sein. Als juristischer Terminus16 bezieht sich restituere vor allem auf die Rückkehr bzw. Rückgabe in den ehemaligen, ursprünglichen bzw. berechtigen juristischen Zustand. In unserem Text bezöge er sich also auf die Lösung der Kontroverse zwischen den Rundikten und Laecanius durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands vor der translatio (viae in fines C. Laecani Bassi), und das aufgrund kaiserlichen Befehls (iussu) durch den Ausführenden, den Offizier L. Rufellius Severus. Die juristische Berechtigung bzw. Gerechtigkeit des ursprünglichen Zustands ist mit der sententia dicta des kaiserlichen Legaten begründet, ausgrund derer die Straße erbaut worden ist. Der Verlauft der Ereignisse könnte also folgendermaßen rekonstruiert werden. Der Legatus A. Plautius hat unter Umständen, die uns nicht bekannt sind, und die sich recht leicht auf irgendeine mehr komplexe Regelung der Situation der dort ansässigen Gemeinschaften beziehen können, entschieden, daß die militärischen Bautrupps auf dem Grund der Rundikten eine (vizinale) Straße zu deren Benutzung erbauten. Die Ausführung der Arbeit leitete der Offizier Atius. Später ging die Straße {translata) höchstwahrscheinlich mit einem Teil des Territoriums legal oder mindestens halb legal in den Besitz des Großgrundbesitzers G. Laecanius Bassus über (ein neu zugegangener Besitz?). Es ist möglich, daß die Straße dabei privata wurde, der Besitzer durfte eine Benutzungsgebühr erheben, er konnte den Einheimischen den Zugang erschweren u. ä. All dies war der Grund für eine gerichtliche Auseinandersetzung, die vor die höchste Instanz kam und diese entschied (iussu) für die Gemeinschaft der Rundikten. Der Ausführende hat an sichtbarer Stelle auch durch die Inschrift (die wahrscheinlich von dem offiziellen lapicida aus seiner Begleitung an Ort und Stelle in den weicheren von den beiden in der Gegend vorkommenden Steinarten — Kalkstein oder Flysch — ausgeführt wurde) den Entscheid gekennzeichnet und die Achtung der Rechte der Rundikten garantiert. Es bleibt die Frage der Zuständigkeit noch offen. Wenn unsere Deutung stichhaltig ist, dann ist die Intervention des Kaisers allerdings kein Argument für die Zugehörigkeit dieses Territoriums zu Italien. Es entfallen also auch alle Spekulationen über die Verschiebung der Grenze zur Zeit des Claudius. A. Plautius wird von Ritterling17 und nach dem von allen anderen18 im Verzeichnis der Verwalter der Provinz Pannonien aufgeführt; die Quelle dafür ist unsere Inschrift. Der Titel, den die Inschrift für A. Plautius, consul suffectus im Jahre 29, angibt, lautet legatus Ti. Claudi Caesaris Aug. Germ. Die Ergänzung legatus Aug. pro praetore provinciae Pannoniae (bzw. Illirici'?) beruht auf der Textterpretation: die Kompetenz für den Bau der Straße (innerhalb oder außerhalb der Provinz), das Verfügen über die militärischen Bautrupps; es wäre auch logisch, daß er vor der Übernahme der Verwaltung Britanniens und des Oberbefehls bei der Eroberung der Insel irgendeine ähnliche Funktion in der Provinz niederen Ranges ausgeübt hat.19 Auch die Zusammensetzung der Legionen, die bei der Eroberung Britanniens mitwirkten, würde dies bestätigen. Trotzdem scheint es, daß hier Vorsicht nottut. Der Bau der Straße auf dem Territorium der Rundikten ist nämlich nur das Ergebnis der primaren Aufgabe des Plautinus an diesem Orts — des Urteils {sententia) in einer uns unbekannten, vielleicht umfangreicheren Angelegenheit, die aber auch die Frage der Straße einschließt. Es geht also nicht nur um eine normale Bau- oder Miliztätigkeit der Provinzarmee innerhalb oder außerhalb (auf dem Gebiet, das inermis ist) der Provinzgrenzen unter dem obersten Befehl des Provinzverwalters, sondern um die Kompetenz des Legaten Augusti im Rechtsstreit auf diesem Gebiet. Wenn dieses Gebiet wirklich zur Provinz gehört, ist es am normalsten, daß w ir in der Tat mit leg. Aug. p. p. prov. zu tun haben. Dieser Gedanke mag reizvoll sein, doch läuft er dem Bild der historischen und verwaltungsmäßigen Entwicklung in diesem Teil zuwider. Dieses Bild wurde von Degrassi20 überzeugend entworfen, und das Beharren auf dieser Lösung würde eine abermalige Überprüfung der gesamten diesbezüglichen Dokumentationen erfordern. Wenn wir aber mit Degrassi dieses Gebiet schon seit Augustus als in Italien eingegliedert (und der Kolonie Tergeste attribuiert)21 betrachten, so wird die Kompetenz des Provinzverwalters in einem rechtlichen Streitfall mehr al fraglich. Es ist nicht Anliegen dieses Aufsatzes, sich in historische Interpretationen einzulassen und sich für die eine oder andere Deutung zu entscheiden. Die erstere würde auf jeden Fall heißen, daß die Verwaltung Illyricums noch weit bis ins 1. Jahrhundert hinein die unmittelbare Kontrolle und Jurisdiktion über das Gebiet der Karstdurchgänge beibehielt; die zweite Deutung würde aber, wie es scheint, die Beweiskraft dieser Inschrift als des (einzigen) Dokuments dafür, daß A. Plautius der Verwalter Pannoniens war, in Frage stellen. Man müßte nämlich die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß diese Inschrift irgendeine spezielle (iuridische) Legatur von ihm darstellt, vielleicht im Zusammenhang mit der Regelung der Lage der ansässigen Gemeinschaften in diesem Bereicht oder im Zusammenhang m it irgendeinem konkreten Streitfall.
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